Anlässlich der »12. Darmstädter Tage der Fotografie« bieten die Organisatoren des Festivals und der Verein »Kultur einer Digitalstadt e.V.« internationalen Künstlerinnen und Künstlern die Möglichkeit einer zweimonatigen Künstlerresidenz im Atelierhaus auf der Rosenhöhe in Darmstadt.
Im Sinne des diesjährigen Themas der »12. Darmstädter Tage der Fotografie« soll die Residenz der Künstlerin oder dem Künstler ein »Experiment« ermöglichen und die Vollendung beziehungsweise, entwicklung eines Kunstprojekts zum Ziel haben. Die Ergebnisse des Residenzaufenthalts werden im Atelierhaus LEW1 während des Festivals ausgestellt.
Nach Sichtung von insgesamt 59 Bewerbungen aus aller Welt entschied sich die Jury für Andrea Abbatangelo als Gewinner des »Artist-in-Residence@DTdF«- Programms.
Die Jurymitglieder:
Alexandra Lechner (Fotografin, DTdF-Mitbegründerin, RAY- Kuratorin, BFF-Vorstand)
Simona Nichiteanu (Kuratorin, Kulturkommunikation, ESA Öffentlichkeitsarbeit)
Gregor Schuster (Fotograf, DTdF-Mitbegründer)
Barbara Struif (Kunsthistorikerin, Filmproduktion)
A.A.LLES
»Dies ist meine aktuelle Forschungsarbeit, in welcher Kunst im öffentlichen Raum, Fotografie, Druckgrafik, Skulptur, Biologie und Neurowissenschaft zusammentreffen und sich gegenseitig beeinflussen.
Die Ausstellung widmet sich den negativen Auswirkungen von Pestiziden auf das kognitive System von Bestäuberinsekten, wie zum Beispiel der Wildbiene. Es gibt wissenschaftliche Beweise dafür, dass das CCD (Colony Collapse Disorder), welches alle Arten von Bienen betrifft, in direktem Bezug zu intensiver Landwirtschaft, Pestiziden und der Verbreitung von Parasiten steht.
»New Observations on the History of Bees« (Neue Beobachtungen zur Geschichte der Bienen) ist Teil meiner multidisziplinären Forschung, fokussiert auf soziales Engagement innerhalb der
Naturwissenschaften. Die Serie erforscht anatomische Details von Bienen (Mund, Zunge, Flügel, Augen usw.), die in eine imaginäre abstrakte neurowisenschaftliche Umgebung eingebettet sind.
Die Hauptstränge meiner Forschung (nämlich die Auswirkungen von Pestiziden auf bestäubende Insekten, das Bewusstsein und die Präsenz von Chemikalien im öffentlichen Raum) führen zu einem kritischen Blick auf die ausbeuterische menschliche Entwicklung. Diese Untersuchung wird auch eine gemeinsame Arbeit und Diskussion von Block Beuys,
der Dauerausstellung im Hessischen Landesmuseum in Darmstadt, beinhalten. Die Arbeiten von Beuys in diesem Museum befassen sich mit dem Thema der Wabe und ihrem Herstellungsprozess als »primärer skulpturaler Prozess««. Andrea Abbatangelo
links: Andrea Abbatangelo, Project RadioLondon; rechts: Andrea Abbatangelo New Observations on the History of Bees
Thema des Festivals 2023
Tilt/Shift – Experiment als Normalzustand
Die zeitgleichen und weltweiten Krisen offenbaren uns ein lange unvorstellbares Scheitern, auch in bisher sicher geglaubten Handlungsfeldern unserer Gesellschaft. Obwohl es keinen Anspruch auf einen Normalzustand der Welt gibt, schwindet doch das Gefühl der Sicherheit für eine immer größer werdende Anzahl von Menschen: Gewohnte Sichtweisen brechen weg, Gewissheiten verschieben sich.
Das Versprechen, alles bleibt gut, oder wird schon wieder gut werden, löst sich gerade auf und lässt sich kaum noch von der Gegenwart in die Zukunft weiterführen. Selbst Menschen, die sich bislang in ihrem Lebensraum sicher wähnten, nehmen ihren Alltag immer öfter bedroht war. Denkmuster werden hinterfragt und diskutiert – konstruktiv von Gruppen und Individuen, aber auch polarisierend von Faktenverdrehern. Alte Diskurse über eurozentrisch und postkolonial geprägte Blicke auf die Welt – im Großen und Kleinen – werden fortgeführt.
Krisenzeiten bedeuten nicht nur Verunsicherung, sondern können – trotz allem – auch Chancen aufzeigen. Potentiale werden, teils der Not geschuldet, auf allen Ebenen auf Freiräume, Neues und Weiterentwicklungen überprüft. Wird das Experiment, sich ständig neu orientieren zu müssen, jetzt zum Normalzustand? Wie kann Fotografie die enormen Veränderungen erfassen? Welche Bilder ermöglichen es uns, eine verunsicherte, diverse Welt im turbulenten und komplexen Wandel besser zu verstehen – und den offenen Ausgang des Experiments im Blick zu haben?