Swaantje Güntzel war vom 12. September bis 29. Oktober 2022 Artist-in-Science-Resident bei Kultur einer Digitalstadt e.v. in Zusammenarbeit mit European Space Agency (ESA) / European Space Operations Centre (ESOC)
Termine während der AiSR
Expert:innenrunde
Open Lab 25.09.2022 11:00-19:00
Vernissage 20.10.2022
Ausstellung 21.10.2022-30.10.2022, 06. & 13.11.2022
Swaantje Güntzel, Ich möchte mit Ihnen über Weltraumschrott reden, 2022, Foto: Albrecht Haag, VG Bild-Kunst 2022
WHAT HAPPENS IN SPACE STAYS IN SPACE?
»Während meiner Residenz als Artist-in-Science am ESOC in Darmstadt habe ich mich auf unterschiedlichen Ebenen mit den Hinterlassenschaften anthropogener Aktivität im Weltraum beschäftigt. Dabei standen nicht nur die konkreten Raumfahrtrückstände, die zusehends zu einer Bedrohung für die Raumfahrt werden, im Mittelpunkt, sondern auch die Frage, in welcher Weise die Nutzung des Alls Parallelen zu einer Ent-sorgungs-Kultur gleich derer, die auf der Erde verfolgt wird aufweist.
Swaantje Güntzel, Andreas Zierhut, 2022, Sterntaler, Diasec, 120 x 80 cm, Foto: Andreas Zierhut
Um mich dem Thema nähern zu können, habe ich in den ersten Wochen viele Gespräche mit den Mitarbeiter:innen des ESOC geführt: über ihre Arbeit, die Bedeutung, die der Weltraum für sie hat, die Objekte, die sich im All befinden und was für Strategien es gibt, nachhaltige Lösungenfür die Raumfahrt zu entwickeln. Gleichzeitig habe ich mich, auch in direktem Austausch mit interessierten Besucher:innen meines Ateliers und unterstützt durch Expert:innen außerhalb der ESOC, damit befasst, wie der Weltraum und Weltraumschrott rezipiert und im öffentlichen Diskurs verhandelt werden. Ich wollte verstehen, mit welchen (popkulturellen) Bildern das All besetzt ist und welche Möglichkeiten und Herausforderungen es gibt, das Phänomen Weltraumschrott zu visualisieren und zu vermitteln.
Swaantje Güntzel, 2022 Serie „Space Heroines“ erstellt mit labs.openai.com © Swaantje Güntzel, VG Bild-Kunst Bonn 2022
Die Erkenntnisse dieser Auseinandersetzungen habe ich im Verlauf der Wochen zu Essenzen verdichtet und sukzessiv in Kunst übersetzt, wobei ich durch die Expertise ausgewählter Mitarbeiter:innen und den Zugang zu Teilen der Infrastruktur der ESOC unterstützt wurde. Neben der künstlerischen Beschäftigung mit den unterschiedlichen »Müll-Situationen« im Weltraum spielte die Frage, inwieweit das All ein von Männern geprägter und dominierter Raum ist und wie eine künstlerische Antwort darauf aussehen könnte, eine sehr große Rolle. Meine konkrete Antwort war die Konzipierung einer weiblichen Superheldin, die im All für Recht und Ordnung sorgt und gegen Weltraumschrott kämpft, inspiriert von Science Fiction Comics der 1950/60er Jahre.
Alle Arbeiten, die während meines Aufenthaltes entstanden sind, eint, dass sie unser Selbstverständnis in der Nutzung von Raum und die Dinge, die wir dabei zurücklassen, hinterfragen.« Swaantje Güntzel
Bild 2 rechts: SMART 1 / crash site, Öl auf Leinwand, 51 x 35 cm © Swaantje Güntzel, 2022
»What happens in Space stays in Space?« Swaantje Güntzels Auseinandersetzung mit menschlichen Hinterlassenschaften im All.
Ein Text von Barbara Struif.
Biografie und Links:
Swaantje Güntzel (*1972) absolvierte nach einem Ethnologiestudium an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn ein Aufbaustudium Freie Kunst an der Hochschule für bildende Künste (HfbK) Hamburg und arbeitete mehrere Jahre als künstlerische Assistentin von Andreas Slominski. Im Fokus der künstlerischen Arbeit von Swaantje Güntzel steht die Analyse der entfremdeten Beziehung des Menschen zur Natur. Sie beschäftigt sich seit fast 20 Jahren mit der radikalen Veränderung der Landschaft durch menschlichen Einfluss und den globalen Herausforderungen die sich durch anthropogenen Klimawandel, Plastik in den Ozeanen, Artensterben und den daraus resultierenden psychologischen Folgen für die Menschheit ergibt, oft in Kollaboration mit der Wissenschaft. Ihr künstlerischer Ansatz entspringt einer tief verwurzelten ästhetischen Position, die die essenzielle Dichotomie zwischen visueller Lust und verstörenden globalen Fragen auslotet.
Swaantje Güntzel nahm an zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland, wie dem MdbK Leipzig, Schiller-Museum Weimar, Syker Vorwerk, Goethe-Institut Thessaloniki, Museum on the Seam Jerusalem, Österreichischer Skulpturenpark Graz und Konstmuseum Ystad teil und wurde mit diversen Stipendien ausgezeichnet, u.a. dem Research Grant des Danish Arts Council, dem Residenzstipendium des Ingmar Bergman Estates auf der Ostseeinsel Fårö in Schweden und dem RONDO Atelierstipendium des Landes Steiermark, Österreich. Sie ist Trägerin des ars loci Kunstpreises 2015 der Neuhoff-Fricke Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kunst.
Links: Swaantje Güntzel, 2020 SEESTÜCK II / Hamburger Kunsthalle, Foto: Henriette Pogoda © VG Bild-Kunst
Rechts: Swaantje Güntzel, 2015 BLOWBACK II Performance, Foto: HC Gabelgaard © VG Bild-Kunst
Website: www.swaantje-guentzel.de/
Instagram: swaantje_guentzel
Interview 2022 w/k – Zwischen Wissenschaft und Kunst
ttt, titel thesen temperamente 5.7.2020„Gegen die Vermüllung“ ZERO WASTE at MdbK Leipzig
»Die Jury sprach sich für das Exposé von Swaantje Güntzel (Deutschland) aus, die sich seit Jahren mit den Hinterlassenschaften, die der Homo sapiens auf diesem Planeten hinterlässt, beschäftigt. Sie arbeitet interdisziplinär und versteht es starke Bilder für dieses drängende Problem zu generieren. Mit der ESA wird sie weiter am 2020 begonnenen Projekt „Objekte im All“ arbeiten. Bei diesem Projekt wird sie ihre Recherchen zum Müll im All weiter verbildlichen, und auch der Nachfrage nachgehen, welche nachhaltige Lösungen es zur Vermeidung dieses Problems geben könnte.«, Künstlerische Jury Artist-in-Science-Residence 2022
»In Zusammenarbeit mit dem Kultur einer Digitalstadt e.V. freuen wir uns im ESOC, eine Quelle der Inspiration für Künstler:innen zu sein und am Artist-in-Residence-Programm teilzunehmen. Wir freuen uns insbesondere auf die künstlerische Interpretation von Fr. Swaantje Güntzel zum Thema Weltraummüll, welches ein zentraler Bereich unseres Programmes für Weltraumsicherheit ist. Das Programm entwickelt unter anderem Strategien für zukünftige Missionen, um den aktuellen Herausforderungen zu begegnen die Nutzung des Weltraums nachhaltiger zu gestalten.«, Dr. Rolf Densing, Direktor für Missionsbetrieb und Leiter des europäischen Raumfahrtkontrollzentrums ESOC / ESA in Darmstadt
»Ich freue mich sehr, für das Residenzprogramm des Vereins „Kultur einer Digitalstadt e.V“. in Darmstadt ausgewählt worden zu sein und die Chance zu bekommen, als Artist-in-Science im Austausch mit den Wissenschaftler:innen des ESOC zu arbeiten. Während meines Residenzaufenthaltes möchte ich aufbauend auf meiner bisherigen künstlerischen Forschung das Thema »Weltraumschrott« konzeptuell übersetzen und mit den Mitteln der Kunst untersuchen, welche Herausforderungen und Möglichkeiten eines nachhaltigen Einsatzes von Objekten im All es gibt.«, Swaantje Güntzel
»Ich arbeite über die anthropogene Verschmutzung der Ozeane, Plastik im öffentlichen Raum, unser Verhältnis zu Müll und der Frage, wie diese Themen in der Öffentlichkeit rezipiert werden. Ziel ist dabei die Facetten dieser komplexen Beziehung mit den Mitteln der zeitgenössischen Kunst sichtbar zu machen. Die Auseinandersetzung mit dem Thema fußte von Anfang an auf engen Kooperationen mit Wissenschaftler:innen aus unterschiedlichsten Disziplinen, wie Tiefseeforschung, Meeresbiologie, Umweltpsychologie und Kommunikationswissenschaft mit denen ich mich austausche und die mich in der Realisierung meiner Projekte unterstützen. Gleichzeitig nutzen diese umgekehrt von mir generierte Informationen zur Rezeption meiner Kunst an der abzulesen ist, wie der Umgang mit Müll in der Gesellschaft verhandelt wird.
Während meines Residenzaufenthaltes möchte ich aufbauend auf meiner bisherigen künstlerischen Forschung das Thema „Weltraumschrott“ konzeptuell übersetzen und mit den Mitteln der Kunst untersuchen, welche Herausforderungen und Möglichkeiten eines nachhaltigen Einsatzes von Objekten im All es gibt«, Swaantje Güntzel.