Ein Digital*Salon mit dem Konzeptkünstler und digital nomad Andy Kassier
15. August 2019
Ludwig-Engel-Weg 1, Rosenhöhe
Success is just a smile away
Andy Kassiers Strategien der Selbstinszenierung –
ein Digital*Salon mit dem Konzeptkünstler und digital nomad
Von Barbara Struif
Mit einem smarten Lächeln, einer Pilotenbrille mit Goldrand und einem rosafarbenen Blouson mit Krokodil-Label betritt Andy Kassier den Raum, so, als hätte er kurz zuvor ein Selfie geschossen und es auf Instagram gepostet. Und genau das ist es, was man von ihm erwarten würde, wenn er tatsächlich eben der Selfmademan wäre, dem er auf Instagram ins Leben verholfen hat und dem er sein Aussehen leiht. Seit 2012 bespielt der Konzeptkünstler kunstvoll die sozialen Medien. Auf Instagram ist es das Narrativ eines reichen, erfolgsverwöhnten Dandys und Geschäftsmannes, für den es nicht marvelous genug zugehen kann. Mit einem extrem lässigen Auftritt lässt er die ganze Welt Teilhaben an gut ausgewählten Momenten eines Lebens, das eine einzige Erfolgsstory zu sein scheint. Dabei sind die Selfies versehen mit pulsierenden Coaching-Sprüchen. Sein goldener Leitfaden sind eine brilliante Performance und ein smartes Mindset. »A lion sleeps in the heart of every successful man. So let the dogs bark, cause the lion is still the king« lässt er als Statement zu einem Foto-Post verlauten, auf dem er gemeinsam mit einem echten heranwachsenden Löwen zu sehen ist – aufgenommen am 4. März 2018 in Camps Bay in Südafrika.
Andy Kassier hinterfragt den Aspekt der Identitätsbildung bei Facebook und Instagram und bedient sich dabei der sozialen Medien, um Kunst zu machen. Ihn interessiert den Unterschied, wie die Leute real sind und wie sie sich im Internet darstellen. Seine Selfies sind mit Humor angereichert und spielen mit dem schicken Schein der Werbeästhetik, mit Statussymbolen und Strategien der Selbstoptimierung. Authentizität ist nicht gefragt, die Bilder sind hyperinszeniert, zu perfekt, um einfach so ein Selfie mitten aus dem Leben zu sein, was sie aber gerne vorgeben. Das Spiel mit dem ‚Selbst‘ treibt er so auf die Spitze. Als Künstler schlüpft er in die Rolle der Kunstfigur, die er kreiert hat, doch wie kann man sie unterscheiden vom echten Andy Kassier, Künstler = Mensch und Kunstfigur = Fake?
»Fake it until you make it. Meine Arbeit besteht darin, Aufmerksamkeit zu generieren.«
Andy Kassier
Wir sitzen bei unserem digital salon zusammen mit Prof. Dr. Martin Steinebach, Spezialist für Deep Fakes vom SIT Frauenhofer-Institut, Anika Meier von Monopol, Ute Noll vom DU-Magazin und diskutieren mit Andy Kassier über sein digitales Alter Ego auf Instagram: »Am Anfang war das nur ein Experiment. Es ging um Fragen wie: wie reagieren denn die Leute darauf, wenn ich so tue als wäre ich berühmt? Fake it until you make it, was passiert, wenn man das durchspielt. Was passiert, wenn man gar kein Produkt hat, sondern nur Marketing betreibt? Wie kann ich denn als Künstler Marketing betreiben? Wie schaffe ich es, Aufmerksamkeit zu generieren als Künstler? Man kann konzeptuell das unterbauen und sagen: es ist eine Arbeit, die künstlerischen Wert hat.«
Mit der Befragung von realen und künstlich kreierten Identitäten untersucht er – ebenso wie Netzkünstlerin Amalia Ulman – die Transformation des analogen Lebens in die digitale Gegenwart und deren Rückkopplung. Am Ende steht die Frage: Was ist heutzutage noch echt?
Über den Künstler
1989 in Berlin, Deutschland, geboren, kam Andy Kassier bereits früh in Kontakt mit Kunst und Fotografie. Als Autodidakt brachte er sich die Techniken der Fotografie größtenteils selbst bei und stellte 2015 seine erste Solo-Show in einem Kölner Vintageladen aus. 2016 folgten die Solo-Show »The Science of Happiness« bei Pop68 in Köln und mehrere Gruppenausstellungen unter anderem in der Schweiz, Frankreich, Großbritannien und Singapur. Außerdem erhielt er 2015 / 2016 Stipendien an der St. Moritz Art Academy und des DAAD an der Universidad National Bogotá.
2017 kam Kassier in die engere Auswahl des »From Selfie to Self-Expression«-Wettbewerbs der Saatchi Gallery in London und stellte im darauffolgenden Jahr unter anderem im NRWForum Düsseldorf zusammen mit Signe Pierce »On the internet, nobody knows you’re a performance artist«, bei EIGEN + ART Lab in Berlin und Ruttkowski; 68 in Paris aus.
2018 schloss Kassier sein Medienkunststudium mit Auszeichnung an der Kunsthochschule Köln ab, an der er unter anderem bei Mischa Kuball und Johannes Wohnseifer lernte. Diese beeindruckten ihn und prägten seine kreative Arbeit nachhaltig. Im selben Jahr erschien »Mindstate Malibu«, eine Anthologie über soziale Medien und Kritik, bei der Kassier als Mitherausgeber auftrat. Das Werk beinhaltet neben Beiträgen unter anderem von Rafael Horzon, Anika Meier und Kurt Prödel, Fotos von Signe Pierce und Kassier.
2019 wurde seine andauernde Werkreihe »How To Take A Selfie«, in der Kassier Vorstellungen und Ausdrucksformen von Männlichkeit im 21. Jahrhundert reflektiert und dabei selbstironisch determinierte Männerrollen und Geschlechterklischees hinterfragt, am Goethe Institut in Baku, Aserbaidschan, ausgestellt. Für seine Arbeit »Success Is Just A Smile Away«, erschuf Kassier einen Alter Ego, der ihn als wohlhabenden, von Erfolg und Geld getriebenen businessman zeigt. Darin verkörpert er ironisch die Narrative von Reichtum und Glück in der spätkapitalistischen Gesellschaft. EinTeil dieser Arbeit wurde im September 2019 in Biel gezeigt.
Neben Fotografien produziert er auch Videos, Installationen, Skulpturen und Performances.
Andy Kassier arbeitet und lebt seit 2018 in Berlin.