Die Künstlerin Louise Charlier arbeitet vom 04. September bis 18. Oktober 2023 im Rahmen der Artist-in-Science-Residence zusammen mit dem European Space Operations Centre (ESOC).
Termine während der AiSR
VIP-Tango (Dokumentation folgt)
Open Lab 22.09.2023
»Kunst trifft Wissenschaft 2.0« Social Media Workshop 09. & 10.10.2023
Eröffnung Final View 12.10.2023
Final View 13.-15.10.2023
»Das Ziel meines Projekts ist es, den Menschen und der Welt vielfältige Vorstellungen über den Weltraum zu vermitteln. Dabei stütze ich mich nicht ausschließlich auf meine eigene Vorstellungskraft, sondern vielmehr auf die kollektive Vorstellungskraft, insbesondere von Künstler:innen und Wissenschaftler:innen, die sich intensiv mit diesen Fragen auseinandersetzen. Besonders wichtig ist für mich bei dem Projekt, dass es nicht allein mein eigenes Werk ist, sondern immer ein Produkt der Zusammenarbeit mit vielen anderen. Die ‚Library of Spatial Imaginaries‘ verkörpert diese Zusammenarbeit. Sie ist ein Ort, der mein Projekt repräsentiert, aber auch die Beiträge all dieser Künstler:innen und Wissenschaftler:innen. Mir gefällt, dass das Publikum so verschiedene Perspektiven, wie man über den Weltraum nachdenken kann, erkunden kann,« Louise Charlier.
Aktuelles Projekt
Louise Charliers Projekt in Darmstadt ist Bestandteil eines umfassenden Werkkomplex, in dem sich die Künstlerin seit 2017 mit der menschlichen Beziehung zum Weltraum auseinandersetzt. Dabei untersuchte sie etwa historische Darstellungen des Weltalls oder Beobachtungspraktiken von Ufos. Während ihrer Residenz arbeitete Louise Charlier eng mit dem European Space Operations Centre (ESOC) zusammen, um das gegenwärtige Verständnis des Weltraums zu hinterfragen und in eine visionäre Zukunftsperspektive der Menschheit im All zu überführen.
In intensiven Gesprächen mit den Forscher:innen des ESOC untersuchte Charlier deren Verhältnis zum Weltraum sowie den Nutzen ihrer wissenschaftlichen Daten für die Darstellung des Kosmos. Ebenso setzte sie sich mit der Funktion der Arbeit der Forschenden als Teil einer Weltraumbehörde auseinander. Die im Verlauf dieser Zusammenarbeit gesammelten Objekte, Tondokumente und Bilder dienen als Grundlage für ihre interaktive ‚Library of Spatial Imaginaries‘, ein modulares Möbelstück mit Schubladen. Jede Schublade der Bibliothek ermöglicht den Betrachter:innen Einblicke in die räumliche Vorstellungskraft eines Forschenden. Zusammen bieten die einzelnen Elemente der Bibliothek somit eine Sammlung alternativer und individueller Perspektiven auf die Verbindungen zwischen Erde und Weltraum. Im ‚Final View‘ wird ein Ausschnitt dieses kontinuierlich wachsenden Archivs präsentiert.
© Louise Charlier
Ein weiterer bedeutender Aspekt von Louise Charliers künstlerischem Schaffen liegt im Performativen. Im Verlauf ihrer Residenz intervenierte sie durch verschiedene Aktionen in den Arbeitsalltag der ESOC-Forscher:innen, um einen Perspektivenwechsel und eine kritische Auseinandersetzung mit ihrer Arbeit sowie den Eigenschaften einer Raumfahrtbehörde anzuregen. Indem sie ihre eigene spekulative Raumfahrtbehörde, die ‚Roscosmic Speculative Space Agency‘, konzipierte, hielt sie den Forscher:innen immer wieder einen Spiegel vor. Die Künstlerin bemerkte, dass die Wissenschaftler in ihrer täglichen Arbeit, die oft aus Berechnungen mathematischer Formeln oder der Kontrolle von Computerdaten besteht, erstaunlich wenig mit dem tatsächlichen Weltraum zu tun haben.
Unter anderem verteilte sie Fragebögen, eine Intervention, um die Vorstellungen der Wissenschaftler:innen über das Universum zu erfassen, oder plakatierte in den Räumlichkeiten der ESOC ‚Roscosmic-Propaganda-Poster‘ an (die kurze Zeit später vom Sicherheitspersonal entfernt wurden). Überraschend präsentierte sie sich im offiziellen Lunchtime Talk des ESOC als Vertreterin ihrer spekulativen Raumfahrtbehörde und Kollaborateurin des ESOC und stellte die fiktive Raummission ‚Constellation 2‘ vor. Durch all diese Interventionen spielte Charlier mit den sprachlichen und visuellen Codes der Raumfahrtinstitution und thematisierte deren Funktion sowie das zugrunde liegende System zwischen Realität, Simulation, Interpretation und Repräsentation des Alls.
© Louise Charlier
Wie in der Diskussionsrunde ‚VIP-Tango‘, einer Diskussionsrunde mit Expert:innen aus Kunst und Wissenschaft während der Residenz erörtert wurde, spiegeln Darstellungen des Weltraums nicht immer die Realität wider. Bilder des Alls, produziert durch Satelliten von Raumfahrtbehörden und privaten Weltraumunternehmen der Superreichen wie Elon Musks Starlink, sind von politischen und wirtschaftlichen Interessen geprägt. Dem setzt Louise Charliers kollaboratives und partizipatives Projekt demokratischere Darstellungen des Weltalls entgegen. Hierbei ermöglicht sie Forscher:innen, Kunstschaffenden und Besucher:innen gleichermaßen, ihre Vorstellungen vom Weltraum zu erforschen, zu teilen und in neuen Kontexten zu betrachten.
Statement Institut:
»Wir freuen uns auch in diesem Jahr ein Ort der Inspiration für dieses einzigartige Projekt zu sein und in Zusammenarbeit mit Kultur einer Digitalstadt e. V. am Artist-in-Science-Residence Programm teilzunehmen. Insbesondere freuen wir uns auf die künstlerische Arbeit von Louise Charlier zur Schaffung eines interaktiven Werkes „Library of Spatial Imaginaries“«.
Dr. Rolf Densing, Direktor für Missionsbetrieb und Leiter des europäischen Raumfahrtkontrollzentrums ESOC / ESA in Darmstadt.